Historischer Hintergrund

Von Wien nach Québec

Die kaiserliche Familie von Habsburg-Lothringen und ihr Privatschmuck

Von Richard Bassett

Das Haus Habsburg-Lothringen entstand 1736 durch die Heirat der Erzherzogin Maria Theresia von Österreich mit dem Herzog von Lothringen, Franz-Stephan. Diese Linie stellte alle Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von 1745 bis 1806 und die Kaiser von Österreich im Zeitraum von 1804 bis 1918. Die hier besprochenen Schmuckstücke waren historisch gesehen Teil des Privateigentums der kaiserlichen Familie.

Unter den Schmuckstücken befinden sich unter anderem ein diamantbesetzter Orden vom Goldenen Vlies, der Hausorden der Familie Habsburg, und der sogenannte „Florentiner“-Diamant. Die beiden Objekte wurden zusammen mit den anderen Gegenständen immer in einem gesonderten Verzeichnis neben den staatlichen Kronjuwelen der Habsburger-Monarchie aufgeführt. Das bestätigt ihren Status als Gegenstände, die nicht Teil der Kronjuwelen der Monarchie waren. Dies wurde 1921 auch durch den damaligen Finanzprokurator in Österreich bestätigt, der alle Objekte der hier besprochenen Sammlung als „reines habsburg-lothringisches Privatvermögen“ des Hauses Habsburg-Lothringen deklarierte.1 2001 wurde der Schmuck erneut als „Privatschmuck“, und damit als persönliches Eigentum des Kaiserhauses, bezeichnet.2

Der „Florentiner“-Diamant ging in das Eigentum der Habsburger über, als mit dem Aussterben der männlichen Medici-Linie die Toskana an den Herzog von Lothringen, Franz-Stephan, fiel, der 1736 die Erzherzogin Maria Theresia von Österreich geheiratet hatte. Der Wiener Vertrag von 1738 bestätigte die vollständige Übertragung der Toskana an Franz-Stephan, der im Gegenzug seinen Anspruch auf das Herzogtum Lothringen aufgab und im Jahr 1745 mit Unterstützung seiner Frau zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurde.

Kaiserin Zita und ihre Kinder in St. Joseph (Kanada) | Quelle: Darius Consulting GmbH
Der Diamant wurde später in eine Brosche integriert und verblieb bis zur ersten Novemberwoche 1918 in Wien, als, angesichts der Ungewissheit des Endes des Kaiserreichs und der zunehmenden Bedrohung durch Bolschewiken und Anarchisten, auf Befehl des letzten Habsburger Kaisers Karl I. alle als Privatschmuck bezeichneten Schmuckstücke aus Österreich in die Schweiz in Sicherheit gebracht wurden. Die Kronjuwelen blieben in ihrer Gesamtheit in Wien, wo sie bis heute ausgestellt sind.
Nachdem Karl I. Österreich verlassen hatte und in die Schweiz ins Exil gegangen war, erließ die Erste Österreichische Republik 1919 das Erste und Zweite Habsburgergesetz, mit denen das gesamte Vermögen der Familie in Österreich enteignet wurde – ohne dafür eine Entschädigung zu erhalten.3
Der letzte Kaiser starb 1922 auf Madeira im Exil. Als die Spannungen in Europa zunahmen, stellten sich seine Witwe, Kaiserin Zita, und sein ältester Sohn, Kronprinz Otto, entschlossen gegen die wachsende nationalsozialistische Bedrohung. Trotz mehrerer Einladungen aus Berlin weigerte sich Kronprinz Otto, Adolf Hitler zu treffen, nachdem dieser 1933 an die Macht gekommen war, und begründete dies mit der „völligen Unvereinbarkeit der Traditionen meiner Familie mit der Ideologie des Dritten Reiches.“4
Während der 1930er Jahre bot Otto seine Dienste der zunehmend geschwächten Ersten Republik Österreich an. Er war bereit, sein Leben zu riskieren und am Vorabend des nationalsozialistischen Anschlusses nach Österreich zurückzukehren. Doch obwohl die Erste Österreichische Republik 1937 das enteignete Vermögen der Habsburger teilweise zurückgab, zog die zunehmend demoralisierte österreichische Regierung eine Duldung der nationalsozialistischen Forderungen dem Widerstand vor. Ottos Angebot wurde abgelehnt, und der Anschluss fand am 12. März 1938 statt.
Dass die Nationalsozialisten die Familie Habsburg als Todfeinde betrachteten, zeigte sich deutlich an der Schnelligkeit, mit der sie sich des gesamten habsburgischen Vermögens in Österreich bemächtigten. Zwei Tage nach der Besetzung Wiens erließ die NS-Regierung am 14. März ein Gesetz zur „Verstaatlichung“ des gesamten habsburgischen Vermögens in Österreich und erklärte es zum „Eigentum des Dritten Reiches“.5
Als ein Jahr später, 1939, der Zweite Weltkrieg ausbrach, lebte die Familie im Exil in Belgien. Nach der Invasion der Niederlande und Belgien im Mai 1940 flohen sie vor den Nazis, kurz bevor die deutsche Luftwaffe ihr belgisches Zuhause bombardierte. Sie gingen zunächst nach Portugal und dann mit Unterstützung der USA weiter nach Kanada. Dort setzen sie sich während der gesamten Kriegsdauer für die Unabhängigkeit Österreichs und die Befreiung Europas von der Nazi-Tyrannei ein.
Auf ihrer Flucht vor den Nazis musste die Familie zwar den Großteil ihres Besitzes zurücklassen, konnte aber Teile des Familienschmucks retten, den sie 1940 nach Quebec brachte. Dort fanden sie in Quebec City ihr neues Zuhause.
Obwohl nach dem Krieg durch die siegreichen Alliierten ein unabhängiges Österreich wiederhergestellt wurde, erließ die junge Zweite Republik am 6. Juli 1954 ein Gesetz, mit dem das während der Eingliederung Österreichs in das Hitler-Reich von den Nazis per Gesetz entzogene Vermögen automatisch in die Republik eingegliedert wurde.6 Dieses Gesetz, das auch enteignetes jüdisches Vermögen umfasste, bestätigte die Enteignung des gesamten habsburgischen Vermögens in Österreich durch die Nationalsozialisten. Dieses Gesetz ist zusammen mit den früheren konfiskatorischen Habsburgergesetzen von 1919 bis heute Teil der österreichischen Verfassung.

Diese Gesetzgebung hat jedoch keine Relevanz für das rechtmäßige Eigentum an den hier behandelten privaten Schmuckstücken, da sich diese zum Zeitpunkt der Verabschiedung außerhalb Österreichs befanden. Die Erste Österreichische Republik hatte 1921 versucht, Druck auf die Schweizer Regierung auszuüben, um einige dieser Gegenstände herauszugeben. Dokumente in den Schweizer Archiven belegen, wie diese Versuche aus rein rechtlichen Gründen scheiterten.7

Als Zita 1953 während des Kalten Krieges mit all seinen Risiken und Unwägbarkeiten aus Amerika nach Europa zurückkehrte, ließ sie den Familienschmuck in der Sicherheit von Quebec zurück, wo er bis heute liegt. Es dauerte bis 1982, bis die österreichische Regierung der ehemaligen Kaiserin erlaubte, das Land zu besuchen, das sie 1919 verlassen hatte. Zita starb 1989 im Alter von 96 Jahren in der Schweiz.

Richard Bassett ist Bye-Fellow des Christ's College Cambridge und ehemaliger Gastprofessor an der Central European University. Seit fast vierzig Jahren ist er ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der mitteleuropäischen Geschichte. Er ist Autor der weithin gelobten Biografie von Maria Theresia (Yale University Press), der bahnbrechenden Geschichte der habsburgischen Armee "For God and Kaiser" (Yale University Press) und eines Bestsellers über Mitteleuropa während des letzten Jahrzehnts des Kalten Krieges "Last Days in Old Europe" (Allen Lane). Er ist Senior Associate des Cambridge Centre for Geopolitics.